Page 182 - 40 Jahre Galerie Ewald Schrade - Von der Freude mit der Kunst zu leben
P. 182
Die Ergebnisse des Malprozesses von 1983 zeigte ich
nach der Abschluss-Austellung in Kißlegg auch auf der Art
Basel mit einer One-Man-Show und im Ulmer Museum
unter dem Titel „Schloßhofgalerie zu Gast“. Stöhrer kam
immer gerne nach Kißlegg, mal auf der Durchreise,
mal für einen längeren Aufenthalt. Mit seinem alten VW
flitzten wir öfters durchs Allgäu. Da er selber keinen
Führerschein hatte, saß ich am Steuer. Seinen Freunden
erzählte er dann immer, dass ich ein guter Autofahrer
sei, der vorher als Testfahrer bei Mercedes Benz einen
Unfall gehabt und dabei die rechte Hand verloren hätte.
Mit dem Hinweis auf meine Fahrkünste ermahnte er seine
jeweiligen Fahrer(innen) immer zum Gasgeben. Vom VW
Walter Stöhrer Malprozess, Kißlegg 1983
stieg Stöhrer dann auf Mercedes um. Die drei Mercedes-
Karossen, die nach dem Volkswagen kamen, erwarb er
durch meine Vermittlung in Ravensburg. Zwischenzeitlich
kam zu seiner Begeisterung für schnelle Fortbewegung Kurz nach diesem Unfall hatte Stöhrer eine große Aus-
mit dem Auto das Rennrad dazu. Sein erstes Rad, das stellung in der Kunsthalle Bremen, bei der er immer noch
er mit stolzgeschwellter Brust aus New York mitbrachte, mit der Tettnanger Bandage herumlief. Allen Fragenden
hat er buchstäblich im Allgäu eingefahren. Dies ging erzählte er dann, er habe einen Sportunfall gehabt.
aber nicht ohne Blessuren. Als er von seinem recht hoch Nach dem Umzug nach Mochental war Walter Stöhrer
gelegenen Ferienhaus auf dem Weg zu uns wohl etwas 1986 der erste Gast als Spiegler-Preisträger im
zu schnell durch einen Wald fuhr, stürzte er und brach Sommeratelier, wo er beeindruckende Arbeiten unter
sich das linke Schlüsselbein. Dieser Schaden wurde dann dem Titel „Carmen für Wondratscheck“ schuf. Die
am nächsten Tag im Tettnanger Krankenhaus mit einem Ausstellung wurde wiederum mit einem sehr schönen
so genannten Rucksack-Verband stabilisiert. Katalog dokumentiert. Danach spielte Walter Stöhrer
bei thematischen Ausstellungen weiter eine heraus-
ragende Rolle, wie beispielsweise bei „Abstraktion und
Figuration“. Zwischenzeitlich war er Professor an der
Berliner Hochschule der Künste und auf internationalem
Parkett in den renommiertesten Museen und Galerien
präsent. Neben seinem Berliner Atelier hatte er eines
im schleswig-holsteinischen Scholderup. Dort besuchte
ich ihn zum letzten Mal, als seine Krebserkrankung ihn
bereits ans Bett fesselte. In unserem knapp zweistündigen
Gespräch haben wir neben den vielen Erfolgen seiner
und meiner Arbeit auch gemeinsame Erlebnisse wie die
mit den Autos nicht ausgelassen. Er berichtete mir stolz,
dass in seiner Garage jetzt der letzte englische Daimler
steht, der in Großbritannien vom Band gelaufen sei.
Damit pendele seine Frau Hanne Forstbauer zwischen
Scholderup und Berlin. Drei Tage später starb Walter
Stöhrer, dem ich auch bei der Beerdigung in Scholderup
Walter Stöhrer (re.) mit Barbara die letzte Ehre erwies.
Lipps-Kant und Georg Nothelfer
178