Ewald Karl Schrade

Ein Leben mit der Kunst - Biographische Stationen

Kunstwerke und Kunstschaffende haben mich immer interessiert. Mein Leben bestimmt haben sie erst, nachdem ich 1960 als 19jähriger bei einem Motorradunfall die rechte Hand verlor und meinen erlernten Beruf als Modellschreiner nicht mehr ausüben konnte. Der neue Weg führte mich über ein Versicherungsbüro mit Bankzweigstelle fast wie vorbestimmt vom Handwerk zur Kunst.

Meine Freude daran konnte ich Ende der 60er Jahre erstmals in der Reutlinger „Zelle“ in die Praxis umsetzen. Ich war einer der Organisatoren von Ausstellungen in dieser progressiv-provokanten Galerie, die heute ein autonomes Jugendzentrum ist. Wir stellten nicht nur drinnen aus, sondern auch draußen. Nicht immer zur Freude der Stadtverwaltung brachte ich 1969 zusammen mit Biggi Stübner und Atze Wenzel unter den Arkaden des Rathauses den ersten Reutlinger Kunstmarkt auf die Beine.

Durch einen Umzug meiner Landessparkassen-Zweigstelle 1971 in größere Räume hatte ich nun selbst die Möglichkeit für eigene Ausstellungen. Unter dem Motto „Geld allein macht nicht glücklich“ konnte ich hier zum Beispiel Werke von Lothar Quinte, Erich Mansen und Ugge Bärtle ausstellen. Aus familiären Gründen zog ich 1973 nach Kißlegg ins Allgäu. Dort eröffnete ich in einem Nebengebäude des Wolfegger Schlosses eine weitere Galerie. Sehr erfolgreiche Ausstellungen wie beispielsweise die mit Malerei von Max Ackermann oder die mit Radierungen von Günter Grass ermutigten mich, mich ganz auf den Kunstbetrieb zu konzentrieren und die Reutlinger Aktivitäten 1975 zu beenden. Die 1975 in Verbindung mit der Ausstellung veranstaltete Grass-Lesung in der Turn- und Festhalle Kißlegg sorgte übrigens für politische Aufregung mit bundesweitem Presse-Echo, weil der damalige Bürgermeister keinen „roten Autor“ im „schwarzen Allgäu“ wollte. Die Grass-Lesung aus dem Manuskript „Der Butt“ war mit 1000 Besuchern ein voller Erfolg und der Bürgermeister erklärte später seinen Rücktritt.

Die Schloßhofgalerie Kißlegg war damals die einzige private Galerie zwischen Ulm, Lindau und Konstanz. Kunstschaffende der Region hatten es nicht leicht. Auch eine Galerie mitten im Allgäu war eher exotisch. Die meisten der ausgestellten Kunstwerke und auch die meisten Kunstkäufer kamen von außerhalb. Den früheren Wangener Landrat Dr. Walter Münch veranlasste das, in einem Vorwort zu meinem ersten Katalog zur ersten Gruppenausstellung „Landschaft Oberschwaben-Bodensee in der Kunst des 20. Jahrhunderts“ die Aufgabe einer privaten Galerie zu beschreiben: „Sie erfüllt eine Funktion, abgehoben von den Ausstellungen in öffentlichen Räumen, die gern von beamteten Galeristen verwaltet werden. Sie hilft mit, dass Künstler ihre Produkte in die Hände von Kunstfreunden bringen“.

In rasantem Tempo ging es weiter. 1975 gab es die erste von vier Winterakademien mit großen Namen als Dozenten.1976 erscheint die erste Ausgabe der Zeitung „Die Schloßhofgalerie“, die es zehn Jahre lang gab. Ebenfalls für zehn Jahre übernahm ich die künstlerische Leitung der städtischen Galerie Bad Waldsee. 1977 Eröffnung des wohl weltersten Besenmuseums, das sich bis heute großer Beliebtheit erfreut. In Kißlegg reihten sich unzählige Einzel- und Gruppenausstellungen sowie thematische Präsentationen unter dem Leitgedanken „Klassische Positionen und junge Künstler“ aneinander. 1977 begann ich auch mit der Ausstellungstätigkeit auf Kunstmessen in Köln, Düsseldorf, Basel, Bergamo und Straßburg. Ab 1980 konnte ich mit der Eröffnung einer Dependance in Lindau wieder meiner Freude am Pendeln frönen.

1985 kam der Umzug von Kißlegg nach Mochental. Dieses große Barockschloss war eine neue spannende und interessante Herausforderung. Mit 2800 Quadratmetern Ausstellungsfläche bietet der neue Wirkungsort ungeahnte Möglichkeiten zur Präsentation zeitgenössischer Kunst. Bis heute ist meine Freude an und die Begeisterung für Mochental ungebrochen. Um dieses Glück zu teilen, vergibt die Galerie seit 1986 den Franz-Joseph-Spiegler-Preis, verbunden mit einem Arbeitsaufenthalt samt Ausstellung und Dokumentation. Erster Stipendiat war Walter Stöhrer, dem mehr als ein Dutzend Künstler folgten. Der Franz-Joseph-Spiegler-Preis soll auch den Barockmaler ehren, der die großartigen Deckenfresken in der Nikolauskapelle im Schloss Mochental schuf.

Mit den neuen Möglichkeiten schraubten sich auch die Qualitätsansprüche immer weiter nach oben. Die Messlatte ist hoch. Dies dokumentierte auch die große Günther-Uecker-Ausstellung, die über drei Stockwerke ging und deren Höhepunkt die neu geschaffene Sandspirale im Hubertussaal war. Es erforderte Zähigkeit und Stehvermögen, Engagement und Leidenschaft, die einstige Sommerresidenz der Äbte von Zwiefalten aus dem Dornröschenschlaf zu wecken und zu einem Zentrum moderner Kunst zu machen. Die Auf- und Ausbauarbeit in Mochentel erforderte meine ganze Konzentration, so dass ich mein Engagement in Lindau 1997 nach einer großen Ausstellung mit Fotografien von Herlinde Koelbel beendete.

Nachdem das barocke Schloss voll moderner Kunst zu einem Begriff für Kunstfreunde von Nah und Fern geworden ist, hatte ich wieder Kraft und Schwung, 1999 in Karlsruhe eine neue Dependance zu eröffnen. Die erste Ausstellung mit Zeichnungen von Romane Holderried-Kaesdorf war ein guter Start. Ich konnte damals nicht ahnen, dass sich das anfänglich kleine Engagement in der badischen Residenz zu dem entwickelte, was es heute ist. Bereits Anfang 2003 kam die Karlsruher Messegesellschaft durch Vermittlung von Dr. Jürgen Morlok mit mir über die Möglichkeit einer Kunstmesse ins Gespräch. Nach monatelangen Überlegungen entwickelte ich die Konzeption für die art Karlsruhe, die 2004 startete und dank der guten Zusammenarbeit mit der Messegesellschaft zu einem großartigen Erfolgsmodell geworden ist. Die auch sehr positive Entwicklung der Galerie-Dependance machte 2008 den Umzug in neue Räume im L-Bank-Neubau in der Nähe des Karlsruher Schlosses erforderlich. Dem Hauptsitz Mochental im ländlichen Raum steht nun ein großflächiges Ambiente mitten in der Großstadt zur Seite.

All dies wäre nicht möglich gewesen ohne das gute Miteinander mit Künstlerinnen und Künstlern, Kunden und Freunden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ihnen gilt mein Dank ebenso wie den Wegbegleitern im Beirat der Kunststiftung Baden-Württemberg und in den Galerie-Verbänden.

Ewald Karl Schrade