Page 8 - 40 Jahre Galerie Ewald Schrade - Von der Freude mit der Kunst zu leben
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Vorwort









                      Kunstwerke und Kunstschaffende haben mich immer interessiert. Mein Leben bestimmt haben sie erst, nachdem ich 1960
                      als 19jähriger bei einem Motorradunfall die rechte Hand verlor und meinen erlernten Beruf als Modellschreiner nicht mehr
                      ausüben konnte. Der neue Weg führte mich über ein Versicherungsbüro mit Bankzweigstelle, fast wie vorbestimmt, vom
                      Handwerk zur Kunst.

                      Meine Freude daran konnte ich Ende der 60er Jahre erstmals in der Reutlinger „Zelle“ in die Praxis umsetzen. Ich war einer
                      der Organisatoren von Ausstellungen in dieser progressiv-provokanten Galerie, die heute ein autonomes Jugendzentrum ist.
                      Wir stellten nicht nur drinnen aus, sondern auch draußen. Nicht immer zur Freude der Stadtverwaltung brachte ich 1969
                      zusammen mit Biggi Stübner und Atze Wenzel unter den Arkaden des Rathauses den ersten „Reutlinger Kunstmarkt“ auf die Beine.

                      Durch einen Umzug meiner Landessparkassen-Zweigstelle 1971 in größere Räume hatte ich nun selbst die Möglichkeit für
                      eigene Ausstellungen. Unter dem Motto „Geld allein macht nicht glücklich“ konnte ich hier zum Beispiel Werke von Lothar
                      Quinte, Erich Mansen und Ugge Bärtle ausstellen. Aus familiären Gründen zog ich 1973 nach Kißlegg ins Allgäu.
                      Dort eröffnete ich in einem Nebengebäude des Wolfegger Schlosses eine weitere Galerie. Sehr erfolgreiche Ausstellungen
                      wie beispielsweise die mit Malerei von Max Ackermann oder die mit Radierungen von Günter Grass ermutigten mich, mich
                      ganz auf den Kunstbetrieb zu konzentrieren und die Reutlinger Aktivitäten 1975 zu beenden. Die 1975 in Verbindung mit der
                      Ausstellung veranstaltete Günter-Grass-Lesung in der Turn- und Festhalle Kißlegg sorgte übrigens für politische Aufregung mit bun-
                      desweitem Presse-Echo, weil der damalige Bürgermeister keinen „roten Autor“ im „schwarzen Allgäu“ wollte. Die Lesung aus
                      dem Manuskript „Der Butt“ war mit 1000 Besuchern ein voller Erfolg und der Bürgermeister erklärte später seinen Rücktritt.

                      Die Schloßhofgalerie Kißlegg war damals die einzige private Galerie zwischen Ulm, Lindau und Konstanz. Kunstschaffende
                      der Region hatten es nicht leicht. Auch eine Galerie mitten im Allgäu war eher exotisch. Die meisten der ausgestellten
                      Kunstwerke und auch die meisten Kunstkäufer kamen von außerhalb. Den früheren Wangener Landrat Dr. Walter Münch
                      veranlasste das, in einem Vorwort zu meinem ersten Katalog zur ersten Gruppenausstellung „Landschaft Oberschwaben-
                      Bodensee in der Kunst des 20. Jahrhunderts“ die Aufgabe einer privaten Galerie zu beschreiben: „Sie erfüllt eine Funktion,
                      abgehoben von den Ausstellungen in öffentlichen Räumen, die gern von beamteten Galeristen verwaltet werden. Sie hilft
                      mit, dass Künstler ihre Produkte in die Hände von Kunstfreunden bringen“.

                      In rasantem Tempo ging es weiter. 1975 gab es die erste von vier Winterakademien mit großen Namen als Dozenten.
                      1976 erscheint die erste Ausgabe der Zeitung „Die Schloßhofgalerie“, die es zehn Jahre lang gab. Ebenfalls für zehn Jahre
                      übernahm ich die künstlerische Leitung der städtischen Galerie Bad Waldsee. 1977 Eröffnung des wohl weltersten
                      Besenmuseums, das sich bis heute großer Beliebtheit erfreut. In Kißlegg reihten sich unzählige Einzel- und Gruppenausstellungen
                      sowie thematische Präsentationen unter dem Leitgedanken „Klassische Positionen und junge Künstler“ aneinander.
                      1977 begann ich auch mit der Ausstellungstätigkeit auf Kunstmessen in Köln, Düsseldorf, Basel, Bergamo und Straßburg.
                      Ab 1980 konnte ich mit der Eröffnung einer Dependance in Lindau wieder meiner Freude am Pendeln frönen.

                      1985 kam der Umzug von Kißlegg nach Mochental. Dieses große Barockschloss war eine neue spannende und interessante
                      Herausforderung. Mit 2800 Quadratmetern Ausstellungsfläche bietet der neue Wirkungsort ungeahnte Möglichkeiten zur
                      Präsentation zeitgenössischer Kunst.


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